In seiner Ausstellung HAND IN HAND in der Städtischen Galerie Karlsruhe erforscht Andreas Arndt den Einfluss des Haptischen auf die menschliche Intelligenz und damit auch auf die Kunst. Die Schau findet im Rahmen der Vergabe des Kunstpreises der Werner-Stober-Stiftung 2018 statt. Aus diesem Anlass entwickelte der Künstler diverse Versuchsanordnungen und ein Symposion, das in einem experimentellen Setting stattfand. Im Format “Ausstellung” führt der Künstler die im Rahmen des Projekts entstandenen Zeichnungen, Objekte und eine Video-Dokumentation des Symposions zusammen.
Am Anfang stand die Frage, in welchem Verhältnis Hand und Gehirn zueinander stehen, wie sich Haptik und Denken wechselseitig beeinflussen. Die Ausstellung HAND IN HAND greift dieses Phänomen auf. Vorlage der Arbeit von Andreas Arndt ist eine Versuchsanordnung des Neurologen Prof. Dr. Olaf Blanke an der Polytechnischen Universität in Lausanne, in der Out-of-Body-Experiences erzeugt werden. Für die Ausstellung baute er drei unterschiedliche Apparaturen, die eine selbstbestimmte und zugleich medial vermittelte Berührung des eigenen Rückens ermöglichen. Professor Blanke wurde zu dem interdisziplinären Symposion eingeladen, das jedoch in einer anderen Version realisiert wurde. An die Stelle der akademischen Veranstaltung trat ein Gespräch, das selbst zum Experiment wurde. Es fand auf einer Drehbühne statt, einige Teilnehmer*innen wurden durch Puppen vertreten. In der Mitte des Tisches rotierte eine Kamera, wodurch die Aufzeichnung einer eigenen Logik folgt.
Die Resultate der verschiedenen Projektschritte finden in der Ausstellung eine Verdichtung und machen sie intellektuell wie sinnlich erfahrbar. Die für das Symposion verwendete Drehbühne markiert den Ort der Debatte. In der Ausstellung dient sie mit dem darauf stehenden Tisch als Sockel für den Projektor, der die Aufzeichnung des Symposions als Bild an die Wand wirft. Die drei von Andreas Arndt gebauten mechanischen Apparate, die der indirekten Selbstberührung dienen, lassen sich als Modelle für die Idee des Kunstwerks verstehen.
Andreas Arndt spielt in seinem Werk bewusst oder unbewusst mit Erwartungen. Das Experiment ist normalerweise ein wissenschaftliches Verfahren, das nachprüfbare Ergebnisse ergeben soll. Der Künstler schafft mit seinen Versuchsanordnungen reale Situationen, die jedoch ins Irreale kippen. Auf diese Weise kann ein gedanklicher Raum entstehen, in dem Kunst stattfindet. Mehrdeutig ist auch der Titel HAND IN HAND, der nicht nur das Thema der Ausstellung aufnimmt, sondern auch die Arbeitsweise des Künstlers reflektiert. Die Drehbühne etwa entwarf er gemeinsam mit dem Künstler und Medienwissenschaftler Thomas Schlereth. Beide moderierten auch das Symposion.
Andreas Arndt arbeitet in langfristigen Projekten, die Verfahren der Forschung adaptieren, aber immer handmade sind und das Scheitern des Experiments in Kauf nehmen. Der Künstler geht Fragen nach, die sich um das Phänomen Kunst drehen, aber auch wissenschaftlich Relevanz haben können. Schon seit längerem interessiert er sich für die Beziehungen zwischen Hand, Werkzeug und (künstlicher) Intelligenz. Der Mensch gestaltet die Welt nicht mehr mit den Händen, durch die digitalen Medien dringen künstliche Elemente in die Selbstwahrnehmung ein. Der Künstler fragt, welche Wirkung diese Entwicklung auf die evolutionär bedeutsame Verbindung von Hand und Gehirn haben.
Die Versuchsanordnungen Arndts zielen jedoch nicht auf die Beantwortung konkreter wissenschaftlicher Fragen. Es geht vielmehr darum, den Raum für Fragen offen zu halten. Im Gespräch sagte er einmal, er nehme sich alle Freiheiten, um Lösungen für seine Projekte zu finden. Er stellt das Selbstverständliche in Frage, vermeidet den “Wettbewerb der Dinge”, Perfektion und Vollendung in der Ausführung. In seinem Werk machen vielmehr Andeutungen und Verweise den eigentlichen Körper der Arbeit aus. Alles ist im Prozess und könnte morgen unter anderen Vorzeichen eine veränderte Gestalt annehmen. Der Künstler lotet die Räume zwischen den Gewissheiten aus.
Carmela Thiele